Wenn aus dem gewohnten „Moin" plötzlich ein „Grüass di" wird!
Bericht über einen Schüleraustausch zwischen den Berufsbildenden Schulen 3 der Stadt Oldenburg und der Landesberufsschule in Feldkirch (Vorarlberg)/ÖsterreichNach monatelangen Vorbereitungen hieß es am Samstag, den 16.02.2013 um 08.00 Uhr endlich „Leinen los" für sechs angehende Bäckerei- und Fleischereifachverkäuferinnen sowie Bäcker und Konditorinnen im Alter von 17 bis 20 Jahren. Die im zweiten Lehrjahr befindlichen Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen 3 hatten sich vorab erfolgreich um eine Teilnahme an einem 3-wöchigen Austauschprojekt mit der Landesberufsschule in Feldkirch (Bundesland Vorarlberg) in Österreich beworben und fieberten nun ihrem ersten Auslandspraktikum entgegen. Der in Zusammenarbeit mit der Mobilitätsberatung der Handwerkskammer Oldenburg erstmalig durchgeführte Schüleraustausch, welcher durch Fördermittel aus dem sogenannten Leonardo-da-Vinci Mobilitäts-Projekt für „Lebenslanges Lernen" unterstützt wurde, hat zum Ziel, Auszubildenden beider Länder Einblicke in die Kultur und Arbeitswelt des jeweiligen Gastlandes zu vermitteln und sie mit neuen Produkten und Herstel-lungstechniken vertraut zu machen. Darüber hinaus ist es den Organisatoren sehr wichtig, dass die Auszubildenden lernen, sich auf eine für sie völlig neue Umgebung einzulassen und für sich erkennen, wie bereichernd - persönlich und beruflich - die Begegnung und der Austausch mit Menschen aus einer anderen Region Europas sein kann.
Per Bus und Bahn fuhr die Gruppe in Begleitung des verantwortlichen Fachlehrers Jens Bomhoff über München bis nach Lindau am Bodensee, wo ihr ein sehr herzlicher Empfang durch die österreichischen Gastgeschwister und die stellvertretende Direktorin der Landesberufsschule Feldkirch Frau Dr. Bergmeister-Keckeis sowie die Fachlehrer T. Halbeisen und C. William bereitet wurde. Am Sonntag hatten die deutschen Schüler dann erst einmal Gelegenheit, sich von der 11-stündigen Anreise zu erholen und sich mit den Besonderheiten ihrer neuen Umgebung etwas vertraut zu machen. Hierzu zählen die für norddeutsche Ohren zunächst ungewohnt klingende Mundart, die sehr beeindruckende Berglandschaft mit den an manchen Stellen meterhoch auftürmenden Schneemassen und auch die teilweise Unterbringung auf etwas abseits gelegenen Bauernhöfen und dem daraus resultierenden besonders engen Kontakt zwischen Mensch, Tier und Natur.
Um den Jugendlichen beider Seiten das gegenseitige Kennenlernen zu erleichtern, hatten die Projektverantwortlichen sie vorab aufgefordert per Internet Kontakt zueinander aufzunehmen. Dank dieser Maßnahme, sowie der mitgebrachten kleinen Gastgeschenke verlief die Eingewöhnung in den Familien reibungslos und umkom-pliziert. Bereits am ersten Wochenende hatten die meisten deutschen Austauschschüler die Gelegenheit in Begleitung ihrer Gastgeschwister an einem alten Brauchtum der Region - dem sogenannten Funkenfeuer - teilzunehmen, das in etwa mit den hiesigen Osterfeuern zu vergleichen ist und dazu dient, den Winter „zu vertreiben".
Am Montag begann dann für alle Oldenburger die „heiße Phase" in den Betrieben, die jedoch von keinem Beteiligten als schwierig empfunden wurde, da sie immer in der Nähe oder gemeinsam mit ihren Gastgeschwistern arbeiten konnten und sich die neuen Chefs als herzliche und geduldige Ausbilder präsentierten. Dieser Eindruck wurde auch durch die Besuche der Projektverantwortlichen in den Betrieben und durch Gespräche mit den Auszubildenden immer wieder bestätigt. Neben der täglichen Arbeit in den Betrieben haben die deutschen Auszubildenden auch einmal pro Woche gemeinsam mit ihren Gastgeschwistern am Berufsschulunterricht teilgenommen. Von den deutschen Auszubildenden wurde sehr positiv bewertet, dass das vormittags im Theorieunterricht Erlernte am Nachmittag zumeist sofort in einem der hervorragend ausgestatteten, schuleigenen Praxisräumen ausprobiert bzw. vertieft werden konnte. Auch die Tatsache, dass es sich bei den österreichischen Lehrkräften stets um „Praktiker", d.h. um Meister ihres Berufes mit entsprechender Arbeitserfahrung handelt, wurde von den deutschen Auszubildenden als vorteilhaft empfun-den.
Neben der schulischen und betrieblichen Betreuung fanden im Verlauf des gesamten Praktikums regelmäßig vertrauliche Gespräche zwischen den Projektverantwortlichen und den beteiligten Auszubildenden statt, um bei plötzlich auftretenden Problemen (wie z.B. Heimweh) Hilfe und Rat anzubieten. Darüber hinaus wurde von den österreichischen Lehrkräften für alle Auszubildenden interessante Wochenendunternehmungen organisiert, deren Höhepunkte die Durchführung eines privaten Skikurses und die Seilbahnfahrt auf den Gipfel eines über 2000 m hohen Berges war.
Inzwischen sind die Schüler wieder nach Oldenburg zurückgekehrt und zeigten sich begeistert von der Gastfreundschaft in ihren Familien und den Betrieben. Einige Teilnehmer empfanden die Atmosphäre im normalen Alltag als auch im Berufsleben weniger hektisch als in Norddeutschland und besonders herzlich. Befragt, ob sie erneut an einem derartigen Austauschprojekt teilnehmen würden, erklärten alle Auszubildenden übereinstimmend, dass sie sofort wieder bereit wären ihre Koffer zu packen. Einem Schüler hat es sogar so gut gefallen, dass er bereits mit seinem österreichischen Meister fest vereinbart hat, nach Abschluss seiner Ausbildung für eine Zeit in Feldkirch zu arbeiten.
Da die Zusammenarbeit zwischen den Projektverantwortlichen beider Schulen hervorragend funktioniert hat, wird dem Schüleraustausch nun sogar auch noch ein Lehreraustausch folgen! Konkrete Planungen hierfür sind bereits angelaufen und werden noch in diesem Jahr umgesetzt! Parallel dazu werden zur Zeit noch letzte Vorberei-tungen für den Gegenbesuch der österreichischen Auszubildenden vom 14. September bis 06. Oktober 2013 getroffen, der dazu führen soll, die Beziehungen zwischen den beteiligten Schulen weiter zu vertiefen und dauerhafte Freundschaften entstehen zu lassen.
Abschließend soll an dieser Stelle all den Betrieben bzw. Inhabern noch einmal ausdrücklich dafür gedankt werden, dass sie das Austauschprojekt durch die Freistellung ihrer Auszubildenden bzw. durch ihre Bereitschaft einen ausländischen Auszubildenden fachgerecht zu unterweisen, überhaupt erst möglich gemacht haben. Dies sind die Stadtbäckerei Schröder sowie die Stadtfleischerei Bartsch aus Oldenburg, die Bäckerei Musswessels aus Rhede, die Bäckerei-Konditorei Ripken aus Augustfehn, die Bäckerei-Konditorei Jürgens aus Wardenburg sowie das Backcenter Ewen aus Moormerland.
(Bericht und Bilder: Jens Bomhoff)
BBS 3 - 04.04.2013